Eisenbahn-Geschichte

Der ehemalige Bahnhof Belvedere – ein Baudenkmal von nationaler Bedeutung

 

Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten, das Prof. Dr. Walter Buschmann als Referatsleiter Technik- und Industriedenkmale im LVR - Amt für Denkmalpflege im Rheinland im April 2011 erstellt hat.

 

Als der Bahnhof Belvedere am 2. August 1839 als Endpunkt des ersten Abschnitts der Bahnlinie Köln-Aachen-Lüttich-Antwerpen eröffnet wurde, war das Eisenbahn-Zeitalter noch keine 15 Jahre alt. Impulsgeberin für alle bis dahin weltweit realisierten Strecken dieses neuen, spurgebundenen Landverkehrsmittels war, wie Walter Buschmann ausführt, das „Weltereignis der Eisenbahn von Liverpool nach Manchester.“ Damit begann, wie der Historiker Hans Rosenberg schrieb, die „Komplettierung der industriellen Revolution durch eine Verkehrsrevolution.“

 

Der Streckenabschnitt Köln-Müngersdorf war die achte Dampfeisenbahn im damaligen deutschen Gebiet – und die zweite in der Rheinprovinz, dem – so der Historiker Heinrich von Sybel - „treibenden Ferment des preußischen Staates.“



Prof. Dr. Walter Buschmann

Walter Buschmann hebt in seinem Gutachten die westeuropäische Dimension des Eisenbahnprojektes Köln-Antwerpen hervor. Es wurde befördert von wirtschaftsliberalen Kreisen des Rheinlandes und im 1831 gegründeten Belgien zwecks Umgehung der als Handelshemmnis empfundenen holländischen Rheinzölle. Dieser „Eiserne Rhein“, eine Wortschöpfung seines maßgeblichen Kölner Promoters Ludolf Camphausen, war, 1843 vollendet, die weltweit erste internationale Eisenbahnstrecke.

 

Das Gutachten weist auf herausragende Kunstbauten der unter Leitung des Baukondukteurs A. E. Pickel realisierten Strecke hin: den (in Deutschland zeitweilig längsten) Königsdorfer Tunnel, die Viadukte bei Eschweiler und in Aachen-Burtscheid, drei weitere Tunnel in Aachens Umgebung und die mittels stehender Dampfmaschine überwundene Steilrampe bei Ronheide westlich der Stadt.

An die ursprüngliche Bahnhofsarchitektur des Schienenweges erinnert auf deutscher Seite allein der Bahnhof Belvedere – und er repräsentiert nach Buschmann „die Architekturvorstellungen dieses renommierten Eisenbahnprojektes“ der Rheinischen Eisenbahngesellschaft.

 

Für die Bahnhofsarchitektur der Frühzeit wird auf eine Vielzahl individueller Lösungen hingewiesen mit dem seit dem 17. Jahrhundert herausgebildeten Bautyp der Posthalterei als „wichtigste Quellarchitektur der Bahnhöfe“ und, auch für den Bahnhof Belvedere, das „bürgerliche Wohnhaus im ländlichen und vorstädtischen Bereich“ als mögliches Vorbild genannt.

Denn der Bahnhof Belvedere wurde konzipiert und gebaut für den Ausflugs- und Naherholungsverkehr: rechtwinklig zum Strteckenzug angelegt und mit der Hauptseite, der ein Aussichtsbalkon vorgelagert ist, ausgerichtet auf das etwa 10 km entfernte Köln.

Strecke und Bahnhof spielten eine wesentliche Rolle bei der Erprobung erster Lokomotiven und Waggons, zusammen mit der erforderlichen Schulung des Zug-, Stations- und Streckenpersonals.

Eine standortbildende Kraft für Wohn- und Gewerbeansiedlung  ist an dieser Stelle nicht ausgebildet worden

Referiert wird der Forschungsstand zum Stationsgebäude, wonach der Baukondukteur und Kölner Stadtbaumeister Matthias Biercher, Schüler der Berliner Bauakademie und damit in dieser Zeit der Schinkelschule verbunden, wahrscheinlich den Entwurf des Gebäudes im Auftrag der Rheinischen Eisenbahngesellschaft fertigte.

Das Gutachten vermittelt eine ausführliche Beschreibung der äußeren Formen  des klassizistischen Baus und der zur Errichtung verwendeten Materialien.

Auf das Innenre, insbesondere das „bemerkenswert in der Innenausstattung“ bezeichnete Treppenhaus und das aus drei nebeneinander liegenden Räumen bestehende Obergeschoß mit seinen Gestaltungselementen, der Beletage des Hauses, wird ausführlich eingegangen.

 

Ein Hinweis auf die wenigen erhaltenen Bahnhofsbauten aus der Frühzeit der deutschen Eisenbahnen unterstreicht den dokumentarischen Wert des Bahnhofs Belvedere ausdrücklich.

Prof. Buschmanns Gutachten endet mit dieser wichtigen Aussage für den weiteren Umgang mit diesem architektonischen Kleinod und frühem wirtschafts- und verkehrshistorischen Denkmal:

„Der Bahnhof Belvedere ist daher besonders aus seiner eisenbahngeschichtlichen Dimension heraus ein Baudenkmal von nationaler Bedeutung. Seine herausragende Position ergibt sich aus seiner Herkunft aus der Frühzeit der Eisenbahnen in Deutschland bei gleichzeitig nur wenig erhaltenen Vergleichsbauten aus diesem Zeitraum.“

 

Das vollständige Gutachten wird demnächst im Heft 4 der „Rheinischen Heimatpflege“, der Zeitschrift des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Landschaftschutz  erscheinen.